Kaum ein Thema hat die Meinungen in den letzten Tagen und Wochen so gespalten wie die “Fridays for Future”-Bewegung. Ein großer Teil der Gesellschaft kann das Anliegen der Jugendlichen sehr gut verstehen. Sie gehen auf die Straße, um gehört zu werden. Sie demonstrieren, weil es ihre Zukunft ist, die die Politik und Wirtschaft seit Jahren aufs Spiel setzt. Für mehr Geld. Für mehr Wachstum. Für mehr Komfort und einen höheren Lebensstandard. Doch natürlich stellt sich da die Frage: Wären wir wirklich bereit auf all das zu verzichten? Die Jugendlichen, die nun seit einigen Wochen regelmäßig freitags die Schule schwänzen, um für den Klimaschutz zu demonstrieren, haben darauf eine klare Antwort: Ja. Und sie machen deutlich: Wir haben keine Zeit mehr für Ausreden.
„Why should I be studying for a future that soon may be no more, when no one is doing anything to save that future?”
– Greta Thunberg, 16-jährige Klima-Aktivistin im Streik
Doch worum handelt es sich bei Fridays for Future genau? Grundsätzlich schließen sich unter diesem Slogan in vielen Ländern zahlreiche Schüler und Studenten zusammen und bestreiken freitags die Schule oder Uni, um sich für den Klimaschutz einzusetzen.
Vorbild und Leitfigur der Bewegung ist die schwedische Schülerin Greta Thunberg. Sie schwänzt nun schon seit August 2018 jeden Freitag den Unterricht und wird dies auch weiterhin tun – solange bis Schweden das Übereinkommen von Paris schließlich unterzeichnet und einhält. Und mit diesem Anliegen ist sie nicht alleine. Denn für viele bildet genau dieses Klimaübereinkommen die Diskussionsgrundlage. Es wurde bereits im Dezember 2015 auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen verabschiedet und beinhaltet unter anderem das bekannte und häufig zitierte 2-Grad-Ziel. Dieses besteht in dem Vorhaben, die durch Menschen verursachte globale Erwärmung im Verhältnis zu vorindustriellen Werten auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu senken. Jedoch stand selbst dieses, nach aktuellen Messwerten nicht wirklich einhaltbare Ziel schon oft in der Kritik. Denn Studien belegen, dass auch die Reduktion der globalen Erwärmung auf 2 Grad nicht ausreichen wird, um durch den Klimawandel bedingte, irreversible Schäden und Katastrophen in der Zukunft zu verhindern. Aber abgesehen davon ist es letztlich einfach ein unumstößlicher Fakt, dass es nun allerhöchste Zeit wird, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Dennoch kommen von der Politik weiterhin keine vielversprechenden Bemühungen und Lösungsansätze.
Aus diesem Grund haben sich Greta in den letzten Monaten weltweit zahlreiche Jugendliche angeschlossen, um nun mit Streiks auf die Relevanz dieser Thematik aufmerksam zu machen. So begründet die junge KIima-Aktivistin Greta Thunberg die Entscheidung zum Streik mit der Aussage „We can no longer save the world by playing by the rules. It’s time to rebel to save the future.” Am Freitag den 18. Januar wurde auch in Berlin ein Klimastreik organisiert, an dem nach Aussagen von “Fridays for Future” insgesamt circa 30.000 Jugendliche und junge Erwachsene teilgenommen haben. Es lässt sich nicht abstreiten: Die “Fridays for Future”-Bewegung ist mittlerweile deutlich mehr als ein leiser Hilferuf.
Aber nicht alle befürworten das offensive Verhalten der Jugendlichen. So behaupten viele Gegner dieser Bewegung, die Schule zu schwänzen könne keine Lösung sein, auch wenn der Grund zunächst plausibel erscheint. Doch letztlich widersprechen die Jugendlichen dem ja auch gar nicht. Sie sind ebenso der Meinung, dass es auf Dauer keine Lösung sein kann, wöchentlich Unterricht oder Universität zu schwänzen. Das Problem besteht ja vielmehr darin, dass es keinen anderen Ausweg mehr zu geben scheint. Es reicht nicht mehr, nur gelegentlich die Stimme zu erheben. Die ein oder andere Petition zu starten. Alle bisherigen Versuche, die Politik zum Umdenken zu zwingen sind schließlich nicht geglückt. Stattdessen entfernen wir uns nur immer weiter vom 2-Grad Ziel, von weiteren Klimaschutzmaßnahmen und damit von einer lebenswerten Zukunft. Dabei sind wir uns diesbezüglich ja eigentlich einig: Wir alle finden die Vorstellung besorgniserregend, dass es unser Lebensumfeld, letztlich unsere gesamte Erde, in einigen Jahrzehnten schon nicht mehr so geben wird, wie wir sie heute kennen. Denn letztlich sitzen wir ja alle im selben Boot, kämpfen mit denselben Problemen und haben nur diese eine Welt, die es zu teilen und zu erhalten gilt.
Stellen wir uns doch einmal folgende Situation vor: In 60 Jahren ist die Klimaerwärmung schon sehr viel weiter fortgeschritten. Den Nordpol wird es in der heutigen Form nicht mehr geben. Der ansteigende Meeresspiegel wird dazu geführt haben, dass zahlreiche Landstriche, Dörfer und Inseln überflutet wurden. Zudem ist die Anzahl an Klimakatastrophen vermutlich deutlich angestiegen. In dieser Situation werden uns unsere Enkel oder Urenkel fragen, wieso wir denn nicht schon früher etwas getan haben. Wieso wir nicht schon früher Maßnahmen ergriffen haben, um das Klima zu schützen und den Klimawandel aufzuhalten. Und was sollen wir dann darauf antworten? „Wir wollten ja, aber wir hatten Anwesenheitspflicht im Unterricht?” Nein ganz sicher nicht. Denn am Ende fragt der Klimawandel nicht nach dem letzten Schulzeugnis, um die Anzahl der unentschuldigten Fehlstunden einzusehen. Also wieso sollten wir das tun, wenn Kinder und Jugendliche sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen wollen?
Das Rezo-Video im Faktencheck
Er ist wohl der Bekannteste unter den deutschen Klimaforschern: Stefan Rahmstorf, Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Auch er hat sich wie Millionen andere das Rezo-Video angesehen und es einem Faktencheck unterzogen.
Sehr geehrte Frau Seiffert,
zu erst möchte ich Sie bitten, mein Deutsch zu entschuldigen. Ich lerne noch, um auf eine Korrektur muss ich jetzt, aus praktischen Gründen verzichten. Das Aufkommen der FridaysForFuture Bewegung, hat bei mir einige Fragen, die im Zusammenhang mit der UN-Kinderrechtskonvention stehen, aufgeworfen.
Antworten habe ich bei Alexander Lorz, am 25.02., mit einem offenen Brief, gesucht. Leider bis jetzt vergeblich.
Vielleicht können Sie mir helfen!
Hier eine Kopie meines Briefes bzw. mein Fragenkatalog:
„Fridays For Future“ – Wo bleiben die Kinderrechte? Ein offener Brief an Minister Alexander Lorz
Sehr geehrter Herr Minister,
mein Name ist Bruno Capra und ich bin Erzieher. Ihren Namen und Ihre Arbeit habe ich im Rahmen einer Recherche zum Thema UN-Kinderrechtskonvention kennengelernt. Entsprechend groß war meine Irritation als ich die Pressemitteilung der CDU Hessen vom 8. Februar zum Thema „Fridays for Future“ gelesen habe.
Irritierend fand ich nicht die Position, die in der Mitteilung vertreten wird, sondern die Art und Weise mit der ausgerechnet Sie, als anerkannter Rechtsexperte, diesen Standpunkt begründen.
Warum haben Sie nicht auch die Rechte der Schüler*innen erwähnt, statt nur die Pflichten aufzuzählen?
Mir ist bewusst, wie anmaßend es von mir ist, mich in einen juristischen Diskurs mit einem Wissenschaftler ihres Ranges vertiefen zu wollen. Dennoch möchte ich diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, um eine Antwort zu finden auf die Frage die mich seit dem Auftritt von Greta Thunberg in Kattowitz begleitet:
Wo bleibt die Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention bei den klimapolitischen Entscheidungen?
Sicherlich würde man in der UN-Kinderrechtskonvention einige Vorschriften finden, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit meiner Frage stehen. Für zielführender halte ich es aber, wenn ich mich hier auf das Kernprinzip des Kindeswohlvorranges (best interests of the child) nach Art 3 Abs. 1 KRK fokussiere und mich dabei auf wenige Aspekte beschränke.
Artikel 3 Abs. 1 KRK besagt:
„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleich viel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungs-organen getroffen werden,ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Ich gehe, in meinen Überlegungen, von folgenden Prämissen aus:
Eine konsequente Anwendung von Art. 3 Abs. 1 KRK sieht eine Beteiligung von Kindern an den Entscheidungsprozessen vor (Abs. 89 CRC/C/GC/14).
Wenn bei der Entscheidung andere Belange als die des Kindes priorisiert werden, dann bedarf es einer transparenten und nachvollziehbaren Begründung durch die Behörden und Gerichte (Abs. 97 CRC/C/GC/14).
Nun frage ich:
Wann wurden Kinder an der Gestaltung von klimarelevanten Entscheidungen beteiligt?
An welcher Stelle wurden die Belange von Kindern berücksichtigt und eine eventuelle Zurückstellung nachvollziehbar begründet?
Angesicht einer fehlenden Einhaltung der durch Art. 1 Abs.3 KRK definierten Verfahrensvorgaben, wären nicht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bisherigen Entscheidungen angebracht?
Wären, bei einer systematischen Missachtung der genannten Vorschriften, die Freitagsdemos als zulässiger „Widerstand“ nicht sogar durch Art. 20 Abs. 4 GG legitimiert?
Nicht wenn „Abhilfe“ möglich ist. Gibt es aber Möglichkeiten der Abhilfe? Wenn ja, sind sie den Kindern auch bekannt und für sie zugänglich?
Dürfen Kinder ihr Recht auf die vorrangige Berücksichtigung ihrer Interessen einklagen?
In Ihrer Ausführung zu der subjektiv-rechtlichen Dimension von Art. 3 Abs. 1 KRK von 2003 kommen Sie, wenn ich Sie richtig verstehe, zu folgendem Ergebnis:
Spätestens wenn sein Recht verletzt wird, ist das Kind befugt zu klagen.
Aber:
Wie setzt das Kind diese Befugnis in der Praxis um?
An wen kann es sich wenden?
Es ist schön festzustellen, dass Sie zu Gelassenheit aufrufen. Was die nächste Generation aber braucht, sind klare rechtliche Rahmen und Anlaufstellen um ihre Interessen durchsetzen zu können.
Hätten Sie nicht bei Ihrer Stellungnahme die Kinder auf ihre Rechte hinweisen können (oder nach Art 42 KRK sogar sollen) und sie über die Möglichkeit eines individuellen Beschwerdeverfahrens informieren?
Sind die Schulvorschriften, die Sie genannt haben, in Anbetracht einer (wahrscheinlichen) Nichtbeachtung des Kindeswohlvorranges, überhaupt längerfristig gültig?
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit die Sie meinen Fragen widmen werden und freue mich auf Ihre Antworten. Diese werden mir (hoffentlich) helfen herauszufinden, ob die UN-Kinderrechtskonvention eine rechtsverbindliche Norm oder doch nur ein „Papiertiger“ ist.
In einem Ihrer Aufsätze schreiben Sie: „In Art. 3 Abs. 1 KRK schlummert ein gewaltiges und bislang noch weitgehend unberücksichtigtes Potential für die innerstaatliche Rechtsanwendung“. Mein Wunsch ist die greifbare Entfaltung dieses Potentials zu erleben.
Mit freundlichen Grüßen
Bruno Capra
Sehr geehrter Herr Capra,
zunächst vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich kann Ihr Anliegen vollkommen nachvollziehen und finde Ihren offenen Brief an Herr Lorz inhaltlich sowie sprachlich sehr gelungen. Es ist leider Fakt, dass der Fokus in der „Fridays for Future“-Debatte fälschlicherweise viel mehr auf den Pflichten der Schüler statt auf ihren Rechten liegt. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie möglichst bald eine zufriedenstellende Antwort auf Ihre Fragen erhalten. Gerne können Sie uns informieren, wenn Sie eine Antwort von Herr Lorz erhalten haben.
Mit freundlichen Grüßen
Fiona Seiffert