Kann mit Chatkontrolle mehr Kinderschutz erreicht werden?

24.05.2022 | Blog

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Laut der EU-Kommission wurden 2021 weltweit rund 85 Millionen Bilder und Videos mit Kindesmissbrauchsdarstellungen gemeldet. Aufgrund dieser erschreckenden Zahl hat die EU-Kommission beschlossen, stärker und strenger vorzugehen und entwarf ein neues Gesetz. Darüber soll abgestimmt werden. Denn: Der Europäische Digital Service Act sollte für mehr Datenschutz sorgen, ließ aber den Kinder- und Jugendschutz dabei außer Acht. Was aber beinhaltet das neue Gesetz?


Gesetzesentwurf der EU gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder 

Das Gesetz einmal erklärt 

Das Gesetz verpflichtet Hosting- oder Messenger-Dienste, wie zum Beispiel Snapchat oder Instagram, WhatsApp oder Signal zu einer Risikoeinschätzung. Diese beinhaltet zwei Elemente: Zum einen wird das Risiko der Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch eingeschätzt, zum anderen das des Groomings. Wenn Täter*innen ihre Opfer kontaktieren und diese Kontaktaufnahme missbrauchen, indem sie ihre Opfer dazu drängen, ihnen bestimmtes sexuelles Material zu schicken, nennt man dies Grooming. Die Täter*innen rechtfertigen ihr Handeln dann mit der „Freiwilligkeit“ des Opfers, ihnen das Material zu schicken. Dieser Missbrauch hinterlässt große Spuren beim Opfer, da es sich oft mitschuldig fühlt, auch wenn dies keineswegs der Fall ist. Es soll also nicht nur verhindert werden, dass das Material verbreitet wird, sondern dafür sorgen, dass Grooming in diesem Fall gar nicht erst entstehen kann.  

Diese Vorfälle sollen aufgespürt und aufgedeckt werden. Erfolgen soll dies allerdings durch die Kontrolle von Privat-Chats in Messenger-Diensten oder E-Mails. 

Ist das der richtige Weg? 

Im ersten Moment liegt der Gedanke nahe, dass alles, was sexuelle Gewalt vor allem an Kindern und Jugendlichen verhindern kann, umgesetzt werden muss. Doch leider kommen viele Fragen bezüglich des Datenschutzes auf. Außerdem muss überlegt werden, ob dieser Aufwand das erwünschte Ergebnis bringen wird. 

Kontrolle und Macht darf als Instrument nicht unterschätzt werden – wenn sie an den richtigen Stellen verwendet wird. Aber Macht und Kontrolle in den falschen Händen ist nicht ungefährlich. Die Umsetzung des Gesetzes erfordert Eingriffe in die Privatsphäre jeglicher Nachrichten und Medien aller Nutzerinnen. Kritikerinnen betonen, dass die Regeln für Interneterfahrene zu einfach zu umgehen sind. Die Regeln und Vorschriften sollen Täter*innen schließlich langfristig aufhalten.  

Das KRF schließt sich der Kritik an 

Der Chaos Computer Club e. V. (CCC) ist die größte europäische Hackervereinigung und seit über dreißig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Der Chaos Computer Club unterstreicht im Deutschlandfunk, dass mit einem Gesetz, welches Chatkontrolle forciert, nicht die gewünschten Ziele erreichen würden, um die Betroffenen von Kindesmissbrauch zu unterstützen und zu helfen: „Die Chatkontrolle ist […] ein überbordender Ansatz, leicht zu umgehen und setzt an der völlig falschen Stelle an. Ohne erwartbaren Erfolg im Sinne des eigentlichen Ziels soll ein nie dagewesenes Überwachungswerkzeug eingeführt werden.“ Des Weiteren wird kritisiert, dass viele Täter*innen sich über ihre Vorhaben auf weniger zugänglichen und überprüfbaren Wegen vernetzen. 

Der kritischen Meinung schließt sich ebenfalls der Deutsche Kinderschutzbund an. Laut DLF äußerte Joachim Türk, Vorstand des Kinderschutzbunds, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass der Großteil von Kindesmissbrauchsinhalten über Plattformen und Foren geteilt werde. Das anlasslose Scannen privater Nachrichten aus Messenger-Diensten oder E-Mails sei deshalb weder verhältnismäßig noch zielführend. 

Der Digital Service Act, der für mehr Sicherheit und mehr Datenschutz für Nutzer*innen im Internet sorgen soll, lässt Kinder und Jugendliche als besonders bedürftige Schutzgruppe außer Acht. Es ist zwar unverzichtbar, gerade diese Zielgruppe dem angestrebten Schutz im Internet zu unterstellen. Ein Gesetz zu erlassen, das den Schutz für Kinder sichern soll, dabei aber den Datenschutz und die Privatsphäre nicht sicherstellt, steht jedoch im Widerspruch zum Zweck des Digital Service Act. 

Was nun? 

Nun ist die Kritik über den Gesetzesentwurf deutlich geworden, aber was heißt das jetzt? Im Vordergrund steht die Sorge, dass mit dem Scheitern des aktuellen Gesetzesentwurf das Thema anschließend in den Hintergrund rückt. Wichtig ist es deshalb, das Vorhaben, sexuelle Gewalt bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen, weiterhin fortzusetzen. Nur an der Umsetzung muss gearbeitet werden. So sollten Kinder und Jugendliche integriert werden. Nur so kann man an den Eckpunkten bestmöglich ansetzen. 

Die von Social-Media- und anderen Kommunikationsunternehmen eingesetzte Software muss präventiv sicherer gestaltet werden. Zum Beispiel durch eine Standardeinstellung, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen aktiviert wird. Diese könnte gewährleisten, dass eine direkte Kontaktaufnahme oder das Weiterleiten von Fotos, Videos oder Links erst auf Bestätigung durch das Kind oder den Jugendlichen möglich werden. Somit erhält das Kind oder derdie Jugendliche das Recht zu entscheiden, nicht die Täterinnen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Aufklärung der möglichen Opfer über solche Geschehen. Vielen ist gar nicht bewusst, dass hinter einem Satz wie: „Schick mir mal Bilder von dir!” eine sexuelle Belästigung steckt. Die oben genannten Maßnahmen gehen vor allem präventiv gegen Grooming vor. 

Um gegen das Verbreiten von Bildern und Videos mit Kindesmissbrauchsdarstellungen vorzugehen, muss zusätzlich in Foren und Plattformen sowie im Darknet vorgegangen werden. Außerdem müssen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich Hilfe zu holen. Hinzu kommt: Wir können alle etwas tun! Wenn Sie einen Verdacht haben, melden Sie sich! Hören Sie zu! Klären Sie Kinder und Jugendliche auf. Machen Sie klar, dass Grenzen nicht überschritten werden dürfen und jedes Individuum das Recht auf seine eigenen Grenzen hat! Ein Nein heißt Nein!