Bundestagswahl: Wie hätten Kinder und Jugendliche gewählt?
21.10.2021 | Blog
Einen übersichtlichen Blick auf diese Wahlentscheidung bietet die Initiative politischer Bildung “U18”: Sie gibt Kindern den Raum, sich selbstbestimmt und selbstbewusst politisch auszudrücken. U18-Wahlen werden regelmäßig neun Tage vor offiziellen Bundestag-, Europa- und Landtagswahlen abgehalten. Vor allem politische Zukunftsdiskussionen rücken in dem Rahmen ins Zentrum des Interesses. Dabei sind selbstbestimmte Meinungsbildung, die Auseinandersetzung mit dem politischen System und Beantwortung von Fragen das Herzstück der Initiative.
Es werden eigene Themen und Prioritäten benannt und untereinander diskutiert. Auch die verschiedenen Parteiprogramme können miteinander verglichen und hinterfragt werden, um für sich selbst eine Wahlentscheidung treffen zu können.
Vergleicht man beide Ergebnisse miteinander, so zeigt sich, dass die U18-Wahl bundesweit einen deutlich mehr nach links gerichteteren Wahlausgang aufweist – CDU und SPD schneiden bei den U18-Wahlen markant schlechter ab als bei den offiziellen Wahlen. Interessanterweise käme die Linke dem U18-Votumswillen folgend mit über sieben Prozent sogar über die Fünf-Prozent-Hürde und somit auch ohne ausreichende Direktmandate in den Bundestag. Die Grünen wurden bei der U18-Wahl stärkste Kraft und hätten Anspruch darauf erheben können, die Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung zu führen. Annalena Baerbock wäre daraufhin vermutlich unsere neue Bundeskanzlerin geworden.
Was die Bedeutsamkeit von Kindern und Jugendlichen bezüglich ihres potentiellen Stimmgewichts bei der Bundestagswahl angeht, so hilft ein Blick auf die Statistik: „Zum 31. Dezember 2020 gab es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland insgesamt 13,75 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.“ (Quelle: Statista 2021). Das macht bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 82 Millionen Menschen (wovon nicht alle wahlberechtigt sind) zwar theoretisch ein wesentliches Stimmgewicht aus, welches sich bei einer Wahl nachdrücklich abzeichnen sollte. Man muss dabei aber bedenken, dass die Zahl der eigentlich Stimmberechtigten nicht nur von dem nicht unerheblichen Anteil von Nichtwählern bereinigt werden muss, sondern auch von Nichtwahlberechtigten, wie zum Beispiel Volljährige ohne deutsche Staatsbürgerschaft.
Bisweilen haben die Sondierungspapiere der möglichen Koalitionspartner einer neuen Regierung (SPD, Grüne und FDP) nur vage etwas zur Wahlsituation von Kindern und Jugendlichen festgehalten. Einigkeit scheint aber immerhin darin zu bestehen, das Wahlrecht diesbezüglich zu überarbeiten: Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament soll das Wahlalter letztlich auf 16 Jahre gesenkt werden. Das würde Millionen junger Menschen miteinbeziehen und hätte angesichts der Resultate der U18-Wahl auch deutliche Auswirkungen im Endergebnis. Dadurch könnte man endlich auch dem demografischen Wandel effektiv entgegentreten – denn der Anteil alter Menschen in Deutschland – mit meist eher konservativer politischer Einstellung – wächst kontinuierlich und hat dadurch zwangsläufig einen höheren Stimmanteil. Es ist also wichtig, die Interessen junger Menschen durch solche Maßnahmen stärker ins Zentrum der politischen Arbeit und von Abstimmungsmöglichkeiten zu rücken.
SPD, Grüne und FDP haben sich für eine Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetz ausgesprochen. Wie weit davon am Ende während einer Regierungsperiode umgesetzt werden kann, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Nicht selten sind Wahlversprechen von Parteien nicht auch das, was letztlich dabei rauskommt. Denn Kompromisse im Ergebnis – um überhaupt Abstimmungsmehrheiten bei politischen Entscheidungen zu erreichen – sind weltweit an der Tagesordnung und können leider immer wieder dazu führen, dass das ursprünglich positive Bestreben stark verwässert wird. Kleine Schlupflöcher in der Gesetzgebung ermöglichen in dem Fall auch weiterhin das Umgehen von Gesetzen, die eigentlich Missstände beseitigen sollten.