Corona-Pandemie: Größte Krise für Kinder seit Gründung von UNICEF

05.01.2022 | Blog

Kinder gucken aus dem Fenster

UNICEF wurde vor kurzem 75 – doch das ist kein Grund zum Feiern: Vor einigen Wochen veröffentlichte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen einen besorgniserregenden Bericht über die weltweiten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche. Die UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore sagt dazu: „Die Covid-19-Pandemie ist die größte Bedrohung für Fortschritte für Kinder in unserem 75-jährigen Bestehen.“   


Die hart erkämpften Errungenschaften und Erfolge in den zentralen Lebensbereichen von Kindern sind demnach massiv bedroht. So wurde beispielweise der Bildungszugang weltweit stark eingeschränkt, denn während diverser Lockdowns konnten insgesamt rund 1,6 Milliarden Kinder nicht in die Schule gehen. Knapp 80 Prozent des Präsenzunterrichts sind im ersten Jahr der Pandemie ausgefallen. 

Es gibt noch andere Erkrankungen als COVID

Die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher bereitet Sorgen. Knapp ein Achtel der 10- bis 19-Jährigen leidet unter einer psychischen Erkrankung, wobei der Zugang zu Hilfsangeboten in vielen Ländern eingeschränkt wurde. Zusätzlich wurden Hilfedienstleitungen zum Kinderschutz zeitweise in über 100 Ländern ausgesetzt. Außerdem wurde weltweit insgesamt deutlich weniger gegen gefährliche Krankheiten geimpft. Im Jahr 2020 erhielten knapp 25 Millionen Kinder keine der wichtigen Regelimpfungen, beispielsweise gegen Masern oder Polio. Neben dem SARS-CoV-2-Erreger sind andere Krankheiten mehr in den Hintergrund gerückt, obwohl sie weiterhin eine reale Bedrohung darstellen. Auch die Mangelernährung bleibt weiterhin ein großes Problem – zu den 50 Millionen hungerleidenden Kindern können weitere mehrere Millionen hinzukommen.  

Im Hinblick auf die Kinderarbeit weltweit veröffentlicht UNICEF ebenfalls alarmierende Zahlen: Rund 160 Millionen Kinder müssen derzeit für den Lebensunterhalt der Familie mit aufkommen und die Gefahr besteht, dass diese Anzahl weiterwächst. 

Armut hat nicht nur eine Dimension

Neben der Pandemie sind Kinderrechte allerdings auch weiterhin durch Kriege und den Klimawandel stark bedroht. Fast jedes fünfte Kind lebt in einer Konfliktregion und rund eine Milliarde Kinder sind durch die Auswirkungen der Klimakatastrophe gefährdet.  

Die Zahl der Kinder, die in mehrdimensionaler Armut lebt – das heißt Armut in den Dimensionen Bildung, Gesundheit und Lebensstandard –, ist seit dem Jahr 2019 um ganze zehn Prozent gestiegen. Die Kluft zwischen Kindern aus einem wohlhabenden Umfeld und benachteiligten Kindern steigt also weiter.  

Diese Rückschritte wieder auszugleichen ist eine enorme Aufgabe und wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Laut einer sehr optimistischen Schätzung würde dies laut UNICEF jedoch mindestens sieben bis acht Jahre in Anspruch nehmen. Es wird nun also entscheidend, ob die Weltgemeinschaft gegensteuert und sich den negativen Entwicklungen der letzten Jahre annimmt. 

 

Auch in Deutschland hat sich die Lebensqualität von Kindern verschlechtert

Mit einem Blick auf die Entwicklungen in Deutschland lassen sich einige dieser Probleme wiedererkennen. Auch hier erleben etliche Kinder eine hohe psychische Belastung und allgemeine Einbußen der Lebensqualität. Viele Kinder und Jugendliche berichten von Zukunftsängsten, Leistungsdruck, Vereinsamung und Ängstlichkeit.  

Im Sommer 2021 veröffentlichten das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesfamilienministerium einen gemeinsamen Bericht über die Auswirkungen der Pandemie für Kinder und Jugendliche. Die Folgen von Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen sind deutlich zu erkennen.  

Durch Home Schooling und Home Office treten zunehmend familiäre Spannungen auf und besonders sozial benachteiligte Familien leiden darunter. Zudem hat sich das Risiko von häuslicher Gewalt deutlich erhöht. Die polizeiliche Kriminalstatistik 2020 zeigt einen deutlichen Anstieg und auch die Nachfrage nach Hilfsangeboten ist gestiegen – das ist auch in der Ombudsstelle des KRF bemerkbar. 

Die Gesundheit leidet unter den eingeschränkten Möglichkeiten

Bewegungsmangel und Fehlernährung sind weitere Herausforderungen im Rahmen der Pandemie. Der Anteil der Kinder, die überhaupt keinen Sport ausüben, hat sich in der zweiten Welle gegenüber der Zeit vor der Pandemie verzehnfacht. Zudem sind deutlich weniger Kinder Mitglied in einem Sportverein. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts haben sich Körpergewicht und Body Mass Index bei Jugendlichen ab 15 Jahren bereits in den Anfängen der Pandemie erhöht. Hinzu kommt ein erhöhter Medienkonsum: Die Bildschirmzeit hat sich bei 12- bis 19-Jährigen im Jahr 2020 auf über vier Stunden pro Tag erhöht. 

Zuletzt sind auch in Deutschland zahlreiche medizinische Untersuchungen pandemiebedingt ausgefallen. Ärztinnen und Ärzte berichten im Rahmen der Schuleignungsuntersuchung, dass Vorschulkinder zunehmend Defizite im sprachlichen, motorischen und sozial-emotionalen Bereich aufweisen.  

Es wird nun also deutlich, dass gegen all diese negativen Entwicklungen entgegengesteuert werden muss. Dafür plädiert UNICEF auf massive Investitionen besonders für Entwicklungschancen, Sozialsicherung, Bildung und Kinderschutz. Zudem muss ein großes Augenmerk auf die psychische Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen gerichtet werden und in Zukunft sollten Mechanismen greifen, die sie vor weiteren Krisen besser schützen können. Dafür ist es natürlich unabdingbar, dass aus diesen übergeordneten Empfehlungen konkrete Maßnahmen abgeleitet werden. 

 

Quellen